Heft 1 / 2019   [im Druck]:



Die neue/alte Rechte – Pädagogische (Gegen-)Entwürfe zur Demokratiesicherung



Europa im Herbst 2018: In den verschiedenen Mitgliedsländern gewinnen antidemokratische Kräfte – beispielsweise die so genannten Schwedendemokraten, Marine Le Pens „Rassemblement National“ in Frankreich oder auch die Partei Fidesz in Ungarn – durch Wahlerfolge zunehmend an Bedeutung. Parallel gibt es wie in Großbritannien Mehrheiten für den Austritt aus der Europäischen Union. Diesem Wunsch nach einem Ende des Multilateralismus und mehr Nationalstaat treibt auch die derzeitige US-Regierung um. Und in Deutschland? Da gibt es Angriffe auf Kippa-Träger, rechtsradikale Demonstrationen in Chemnitz und anderswo, im vergangenen Jahr mindestens 326 Übergriffe auf Geflüchtete (vgl. Pro Asyl 2018) sowie die 2017 im Vergleich zu den Vorjahren gesunkene Zahl von mindestens 264 Brandanschlägen auf Flüchtlingsunterkünfte (vgl. BKA 2018). Aber nicht alleine die gesellschaftlichen Ränder sind, wie so oft von konservativen Politiker*innen beschworen, von solchen Radikalisierungstendenzen betroffen. In ökonomisch hervorragenden Zeiten würde die so genannte Alternative für Deutschland, in deren Reihen sich Rechtskonservative ebenso wie Rechtradikale finden, bei aktuellen Umfragen zweitstärkste Kraft im Bundestag.

Theodor W. Adorno formulierte in seinem berühmten Radiovortrag 1966 eine deutliche Forderung an das gesamte Erziehungs- und Bildungssystem: Das oberste Ziel müsse die Verhinderung einer Wiederholung von Auschwitz sein. Die direkte Auseinandersetzung mit Adornos Überlegungen zeigt die Aktualität in Bezug auf Phänomene, mit denen pädagogisch Tätige bis heute konfrontiert sind: die frühen Ausprägungen autoritärer Verhaltensweisen bei Kleinkindern, rassistische oder antisemitische Zuschreibungen von Mitschüler*innen, ein übersteigerter Nationalstolz bei Jugendlichen oder Formen der Abgrenzung und Exklusion durch „Cliquen-Bildung“. Doch konzentriert sich Adorno nicht alleine auf die Adressat*innen pädagogischer Intervention, nichtsdestoweniger sind die pädagogisch Tätigen selbst Teil sozialer Interaktionen, denen Diskriminierung und Gewalt oft inhärent erscheinen. Auch ihnen können „Regressionstendenzen“, also unterdrückte sadistische Neigungen (Adorno 2015, S. 94f.), anhaften; ebenso können sie Kollektivierungen affirmieren, rassistisch oder antisemitisch sein oder einen erstarkenden Nationalismus gutheißen.

Dieses Heft fragt vor diesen Hintergründen, wie sich sowohl die Wissenschaft als auch die Profession zu diesen aktuellen Entwicklungen von Radikalisierung, Diskriminierung und Außgrenzung verhalten. Aufgerufen zur Einreichung sind daher bisher unveröffentlichte Beiträge, die sich mit rechtradikaler und rechtspopulistischer Klientel und ihren diskriminierenden Überzeugungen (Antisemitismus, Antiziganismus, Rassismus etc.) auseinandersetzen ebenso wie solche, die das tabuisierte Phänomen rechter Pädagog*innen und Diskriminierungen von Pädagog*innen in der Gegenwart und Geschichte erforschen. Von Interesse wären gleichzeitig auch Beiträge, die Ursachen und Gegenmaßnahmen rechter Tendenzen, aber auch Bildungsprozesse zur verantwortlichen Übernahme demokratischer Rechte und Pflichten diskutieren. In einer solchen Perspektive könnten auch Ursachenbeschreibungen, analytische Inventare ebenso wie professionelle Interventionen bei scheinbar plötzlich auftretenden rechten Äußerungen und Tendenzen ausgearbeitet werden.

Es sind explizit alle pädagogischen Fachrichtungen zur Einreichung theoretischer oder empirischer Beiträge und einer entsprechenden Positionierung eingeladen. Diese können als sogenannte Rubrikenbeiträge „Aus der Profession“ und „Aus der Disziplin“ ohne Reviewverfahren bei den Themenheftherausgeber*innen (siehe Autoren*innenhinweise) direkt eingereicht werden.